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Jetzt kann Agilität auch noch medizinische Probleme lösen?

In den vergangenen Blog-Beiträgen haben wir euch das wichtigste Grundverständnis über agile Softwareentwicklung vermittelt. Dort habt ihr erfahren, dass Agilität auf vier Werten und zwölf Prinzipien aufbaut und von der Empirie lebt, die während eines Entwicklungsprozesses gewonnen wird. Agilität kann uns bei der Lösung komplexer Problemstellungen weiterhelfen, vor allem dann, wenn die Operationalisierung nicht dogmatisch umgesetzt wird. Heute wollen wir uns die Wechselwirkung von Agilität und Ambidextrie anschauen.

Ambidextrie = Beidhändigkeit

Was klingt wie ein medizinisches Problem, ist einer der drei Bausteine der adesso New School of IT (NSoIT). Gemeinsam mit Cloud Native Thinking und Data Mindedness hilft Ambidextrie dabei, die Unternehmens-IT als feste Partnerin für alle zentralen Fragen der unternehmerischen Zukunft zu denken. Ambidextrie fokussiert die zwei Seiten einer Unternehmens-IT: Innovation und Entwicklung einerseits sowie Stabilität und Kosteneffizienz andererseits. Beidhändigkeit geht davon aus, dass eine enge Zusammenarbeit der Bereiche des Chief Digital Officers (CDO) und des Chief Information Officers (CIO) hohes Wertpotenzial bereithält. Darüber hinaus kann ein zusätzlicher Mehrwert geschaffen werden, wenn eine enge strategische und kommunikative Verknüpfung dieser beiden Seiten mit den Fachbereichen etabliert wird. Kurz: Die Unternehmens-IT gehört an den Entscheidertisch. Wir lernen von der Ambidextrie, dass eine enge Verknüpfung von Schlüsselfunktionen erheblich zur Wertorientierung von Unternehmen beitragen kann.

NSoIT

Beidhändigkeit findet sich auch in den Zielen agiler Rahmenwerke wieder

Im agilen Projektmanagement, also der Operationalisierung der agilen Werte und Prinzipien sowie der agilen Empirie, stoßen wir häufig auf die berühmten Rahmenwerke und Methoden der Agilität: Scrum, Kanban, Design Thinking, Scrumban, SAFe®, LeSS® etc. Alle Ansätze fokussieren gleichermaßen zwei Ziele:

  • 1. Die Minimierung von Kommunikations-Transaktionskosten
  • 2. Schnelles Einfließen von neuen Erkenntnissen in den laufenden Entwicklungsprozess

Letzterem werden die Rahmenwerke gerecht, indem sie die Grundmechanik des sogenannten Demingzyklus oder auch bekannt als PDCA-Zyklus berücksichtigen. Der iterative Prozess einer Lösungsentwicklung verläuft dabei in kurzen Phasen, die jeweils für sich Planung (Plan), Ausführung (Do), Überprüfung (Check) und Anpassung (Act) eines Lösungsansatzes abdecken (vgl. Abb. 1).


Abbildung 1

Die Kommunikationskosten hingegen werden durch kurze Kommunikationswege minimiert. Kurze Kommunikationswege werden in agilen Ablauforganisationen durch Interdisziplinarität ermöglicht. So kann während eines jeden Entwicklungszyklus ein gemeinsamer Blick auf das Gelernte (Empirie) geworfen und Entscheidungen über das weitere Vorgehen im nächsten Entwicklungszyklus können interdisziplinär getroffen werden. Und genau an dieser Stelle wird die Nähe zur Ambidextrie deutlich. Agilität und Beidhändigkeit fordern die gleichen engverwobenen und interdisziplinären Organisationsstrukturen und das Überwinden von den uns allen bekannten Unternehmenssilos.

Agile Rahmenwerke als Vehikel für Ambidextrie

Bis hierher haben wir gelernt, dass die Ziele der Agilität und der Beidhändigkeit identisch sein können. Beide möchten Kommunikationswege verkürzen und eine iterative Vorgehensweise fördern. Doch nun stellt sich die Frage, wie Beidhändigkeit in einer Organisation gelebt und damit operationalisiert werden kann.

Und an dieser Stelle kommt das Zusammenspiel von agilen Rahmenwerken und Ambidextrie ins Spiel. Bei einer klugen (also nicht dogmatischen) Implementierung von agilen Rahmenwerken können wir strategische Anforderungen (Fach, Design, Architektur) mit Erkenntnissen aus der Ausführungsebene schnell abgleichen und unser weiteres Vorgehen anpassen. Rahmenwerke liefern uns dafür Events, Rollen und Prozesse, die uns bei der Operationalisierung der Ambidextrie unterstützen können. Die Rahmenwerke ermöglichen uns folglich, die strategische Ebene mit der Ausführungsebene interdisziplinär und damit kommunikativ zu koppeln.

Die Auswahl an Rahmenwerken und Methoden ist groß, „drum prüfe, wer sich ewig bindet …“

Einige Rahmenwerke, wie Kanban, Scrum.org (inkl. Nexus) und LeSS® konzentrieren sich auf die Team- und die ersten Skalierungsebenen und können vor allem in kleineren bis mittelgroßen Settings (Start-up, Kleinstunternehmen) einen Mehrwert schaffen. Hier existieren bereits kurze Kommunikationswege aufgrund der hierarchischen Nähe von Geschäftsführung und Ausführungsebene. Bewegen wir uns jedoch in größeren Settings (größerer Mittelstand, Konzerne), brauchen wir Koordinierungsmechanismen, die uns bei der Synchronisation vieler agiler Teams auf der einen Seite und der strategischen Ebene auf der anderen Seite unterstützen. Das Scaled Agile Framework® (SAFe®) bietet bspw. einen weitfassenden Rahmen, der sich auf die Synchronisation aller Organisationsteile konzentriert. Egal auf welches agile Rahmenwerk eine Organisation zurückgreift, entscheidend ist, dass es nicht in eine Organisation hineingedrückt wird und damit ein System dogmatisch überfordert. Wir adessi sprechen in diesem Zusammenhang von der „gezähmten Agilität“. Gesunder Menschenverstand und Erfahrung helfen bei einer wertorientierten Einführung agiler Rahmenwerke zur Unterstützung der von der adesso New School of IT vorgeschlagenen Beidhändigkeit.

Wir können also festhalten, dass Ambidextrie und Agilität die gleichen Ziele verfolgen und sich gegenseitig bedingen können. Ohne Ambidextrie keine Agilität und ohne Agilität keine Ambidextrie. Erfolgreichen Implementierungen von agilen Rahmenwerken sollte folglich ein Commitment der höchsten Ebene zu Ambidextrie vorausgehen. Fehlt das Commitment zu Beidhändigkeit im C-Level, ist eine erfolgreiche (weil wertorientierte) agile Transformation kaum umsetzbar.

Wie habt ihr agile Rahmenwerke erleben können? Folgt ihr mir bei der These, dass ohne Ambidextrie agile Transformationen kaum umsetzbar sind? Ich freue mich auf euer Feedback und eure Fragen. Zögert nicht und setzt euch mit mir in Verbindung.

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.

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Bild Frederik Zimmermann

Autor Frederik Zimmermann

Frederik Zimmermann berät Unternehmen als Senior Agile Coach für das Competence Center Agilität der Line of Business Microsoft am Standort Paderborn. Als zertifizierter SAFe® Program Consultant brennt er vor allem für Themen aus der skalierten Agilität und coacht Schlüsselrollen aus der Versicherungsbranche und dem Automotivebereich, wie Scrum Master, Product Owner, Product Manager, Release Train Engineers, aber auch Personen aus dem Lean Portfolio Management. Sein Fokus liegt auf dem Brückenbau zwischen fachlichen und technischen Expertisen.

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