Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Der Verbund von softwaretechnischen Komponenten und mechanischen Teilen, die über eine Dateninfrastruktur, etwa das Internet, kommunizieren, ist schon heute in vielen Produktionsanlagen Realität. Ermöglicht wird dies u.a. durch enorme Fortschritte im Bereich der Sensorik. Sender und Empfänger elektronischer Signale sind mittlerweile hochleistungsfähig und doch so winzig, dass sie demnach überall eingebaut und befestigt werden können. Durch die ständige Kommunikation der Maschinen untereinander entsteht „Big Data“ – eine schier unendlich große Menge an Maschinen-, Produktions-, Personal-, und weiteren Betriebsdaten.

Doch wie kann der Mensch der großen Datenmenge Herr werden? Wie interpretiert z.B. der Produktionsleiter die Daten, die beim Monitoring seines Maschinenparks anfallen? Schon heute gibt es sogenannte Manufacturing-Execution-Systeme (MES), die durch Anbindung an verteilte Systeme der Prozessautomatisierung die Führung, Lenkung und Steuerung der Produktion in Echtzeit ermöglichen. Derartiges Monitoring von Echtzeitdaten erfolgt bis dato meist über Desktop-Anwendungen. Solche User Interfaces kennt man in dem Bereich zur Genüge, meist große Dashboards oder riesige Tabellen, aus denen die Maschinendaten ausgelesen werden können.

Kontextsensitive Daten zur Reduktion von Komplexität

Was aber macht der typische Produktionsleiter eines großen produzierenden Unternehmens? Er läuft durch die Halle und sieht nach dem Rechten, da wo es raucht und stinkt und vielleicht noch der ein oder andere Bandarbeiter herumläuft – solange die Produktion nicht schon vollständig automatisiert ist. Hier liegt ein enormes Potential, den Menschen dabei zu unterstützen, mit steigender Komplexität, die in Szenarien der Industrie 4.0 auftritt, umzugehen. Die Arbeitswelt wandelt sich enorm durch die große Menge an Echtzeitdaten, die dem Menschen nun zur Verfügung stehen. Die Daten kontextspezifisch zu liefern, also dort, wo sie tatsächlich sofort benötigt werden, liefert im „Stimmengewirr“ der Maschinen für den Menschen die nötige Orientierung. Auch bei Softwareanwendungen für Industrie 4.0 muss demnach immer überlegt werden, was das Ziel ist. Nicht jedes Device ist für jedes Anwendungsszenario gleich gut geeignet. Man muss es sorgfältig orchestrieren, und das erfordert ein bisschen Mühe.

Fakt ist außerdem, dass im Zeitalter von Industrie 4.0 die physische Realität zunehmend mit der virtuellen Welt verschmilzt. Dies stellt besondere Herausforderungen an die Mensch-Technik-Interaktion und hält damit spannende Fragestellungen nach der Usability und der User Experience bereit. Eine vielversprechende Technologie für die Bereitstellung kontextsensitiver Daten ist die der Augmented Reality. Über Tablet Computer, Smartphones oder Head-Mounted Displays lässt sich jedes Objekt, das man in der physischen Realität betrachtet, mit zusätzlichen Informationen hinterlegen und optisch durch weitere computer-generierte Schichten anreichern. Die zusätzlichen Informationen können jegliche mediale Form annehmen: Text, Bild, Video, Sound, Grafiken, GPS-Daten oder sogar haptisches Feedback. Hierfür wird in einem ersten Schritt durch die Kamera des entsprechenden Endgeräts die Umwelt erfasst (Screen Capture), anschließend die exakte Position des Trägers ermittelt (Screen Identification) und nach Anfrage der entsprechend passenden Inhalte über Internet oder eine lokale Datenbasis die neue, angereicherte Szenerie visualisiert.

Neue Bedienkonzepte für Natural User Interfaces

Augmented Reality ist jedoch viel mehr, als nur eine neue Darstellungsform. Die Technologie steht auch für einen völlig neuen Typus innovativer, natürlicher Benutzerschnittstellen für die Interaktion von Menschen mit Objekten und Endgeräten. Von WIMP-Interfaces und Point-Click-Type-Interaktion über Touch & Swipe-Konzepten bei Tablets und Smartphones bis zum automatisierten Starten einzelner Prozessschritte – die Befehlsketten in der Mensch-Computer-Interaktion werden immer kürzer. Dies bedeutet jedoch auch, dass der Mensch ein Stück weit die Kontrolle über den Computer abgibt. Ob dies vom Nutzer akzeptiert wird oder nicht, ist eine Frage, der z.B. UX Researcher nachgehen.

Der Mensch wird natürlich weder ersetzt noch werden seine Fähigkeiten obsolet. Monitoring, Problemlösefähigkeit und die korrekte Interpretation der Daten ist in Industrie 4.0 wichtiger denn je. Big Data ist eigentlich ein irreführender Terminus – ich brauche Smart Data, um aus den Datenmengen schlau zu werden. Nur wer bereits über fundiertes Fachwissen verfügt, kann aus den verfügbaren Daten relevante Informationen generieren. Und nur wenn die Daten richtig aufbereitet sind, kann ich daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Gute Usability ist daher kein Luxus, sondern die notwendige Voraussetzung für den Erfolg von Industrie 4.0. Die grundlegenden Prinzipien menschlicher Informationsverarbeitung werden sich trotz rasanten technologischen Wandels auch weiterhin nicht ändern.

Ist Augmented Reality bei euch bereits ein Thema? Ich freue mich über eure Kommentare.

Bild Katharina  Schuster

Autor Dr. Katharina Schuster

Dr. Katharina Schuster ist IT Consultant mit Schwerpunkt UX bei adesso. Als Requirements Engineer unterstützt sie Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bei der Erhebung von Anforderungen an IT-Systeme.

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