Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Barrierefreie Softwareentwicklung soll eine Nutzung ungeachtet körperlicher, kognitiver oder geistiger Einschränkungen ermöglichen. Von Barrierefreiheit profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch temporär und leicht eingeschränkte Nutzerinnen und Nutzer. Das Hauptziel der Barrierefreiheit besteht darin, dass alle Anwendenden die digitalen Angebote wahrnehmen, bedienen und verstehen können. Die Umsetzung der Barrierefreiheit bei digitalen Lösungen im öffentlichen Sektor ist längst ein gesetzliches Muss und nicht mehr nur eine Option.

Gesetzliche und zeitliche Rahmenbedingungen

Die neue Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), die am 25. Mai 2019 in Kraft getreten ist, basiert auf den internationalen WCAG (Web Content Accessibility Guidelines). Zusammen mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) setzt die BITV 2.0 die EU-Richtlinie 2016/2102 zum barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen an öffentlicher Stellen um. Ziel dieser Richtlinie ist es, eine uneingeschränkte Nutzung von Web- und mobilen Anwendungen für Menschen mit Einschränkungen zu gewährleisten. Die öffentliche Verwaltung ist dabei auf allen Ebenen verpflichtet, zugängliche Informationen und Dienstleistungen sowie elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe (zum Beispiel die E-Akte) barrierefrei zu gestalten – und zwar online sowie elektronisch.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen die Umsetzung der Barrierefreiheit unter Einhaltung folgender Fristen vor:

  • Websites, die erst nach dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, mussten die Erklärung zur Barrierefreiheit spätestens am 23. September 2019 veröffentlichen.
  • Websites, die vor dem 23. September 2018 online gestellt wurden, mussten spätestens zum 23.09.2020 zugänglich und barrierefrei sein.

Am 23. Juni 2021 endet zudem die Frist für die barrierefreie Gestaltung mobiler Anwendungen des öffentlichen Bereichs.

Umsetzung Barrierefreiheit

Aus der Projekterfahrung in der öffentlichen Verwaltung lassen sich die folgenden allgemeinen Empfehlungen für die erfolgreiche Planung, Umsetzung sowie die Qualitätserhaltung barrierefreier Softwarelösungen definieren:

Barrierefreiheit planen

Barrierefreiheit ist eine wichtige Anforderung, die hochpriorisiert werden muss. Wenn die Neuentwicklung einer Anwendung oder ein Relaunch der bestehenden Softwarelösung ansteht, sollte die Barrierefreiheit von Anfang an berücksichtigt werden. Dies ist notwendig, da die Umsetzung tiefgreifenden Einfluss auf den Entwicklungsprozess hat. Eine spätere oder nachträgliche Implementierung vervielfacht nachweislich zeitliche und finanzielle Aufwände.

Die Barrierefreiheit sollte für den gesamten Prozess mitgedacht werden: Nutzerinnen und Nutzer mit Einschränkungen können digital verfügbare Arbeitsabläufe nicht nutzen, wenn Elemente dafür notwendig sind, die nicht barrierefrei sind. Ein Beispiel: eine zusätzliche, externe Software muss installiert werden, um mit der Bearbeitung fortzufahren. Module von Drittanbietern müssen daher auf Barrierefreiheit geprüft werden.

Barrierefreiheit testen

Die Anpassung von IT-Lösungen an die Barrierefreiheit wird oft zu einer ungeahnten Herausforderung, die bis zu einer vollständigen Umstrukturierung der Softwarelösung führen kann. Um den Arbeitsumfang richtig einzuschätzen, empfiehlt es sich, zunächst die Barrierefreiheit zu testen, um den aktuellen Zustand zu ermitteln.

Die Barrierefreiheit der eigenen Anwendungen könnt ihr anhand des Tests zur Selbstbewertung „60 Schritte der BITV 2.0“ überprüfen. Auf Basis des Prüfungsergebnisses lassen sich dann konkrete Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt unter anderem, die korrekte Auszeichnung der Überschriften mit den HTML-Strukturelementen zu planen, um die Barrierefreiheit des eigenen Webauftritts zu verbessern.

Potentielle Mängel können bereits im Laufe des Implementierungsprozesses gefunden und beseitigt werden. Regelmäßig durchgeführte und entwicklungsbegleitende Tests führen zu einem besseren Ergebnis des abschließenden Tests, der die erlangte Barrierefreiheit des Software-Produktes bestätigt.

Einer der vier Prinzipien der Barrierefreiheit ist die Robustheit. Unsere Erfahrung im öffentlichen Sektor zeigt, dass das Testen mit assistiven Technologien - etwa Screenreadern und Spracheingabeanwendungen - wichtig für die Erhöhung der Robustheit von Inhalten ist. Damit werden die Inhalte für größere Gruppen von potentiellen Usern zugänglich.

Barrierefreiheit erhalten

Die Erhaltung der Barrierefreiheit gewinnt an Bedeutung bei Anwendungen mit dynamischen, multimedialen Inhalten oder bei regelmäßigen Software-Aktualisierungen: Jede inhaltliche, gestalterische oder funktionale Änderung kann zur Abweichung von barrierefreien Anforderungen führen. Zwei Aspekte sind in diesem Kontext wichtig:

  • Erstens sollten die Prüfverfahren der Barrierefreiheit mit regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um mögliche Schwachstellen zu finden und zeitig zu korrigieren.
  • Zweitens müssen alle Personen, die an der Entwicklung und Gestaltung des digitalen Angebots beteiligt sind (etwa Developer, Web-Designer, Testende oder Online Editors) über die barrierefreien Anforderungen ausführlich informiert werden. Nur so wird die Qualitätserhaltung der Barrierefreiheit zu einem gemeinsamen Ziel. Alle Beteiligten sollten im Idealfall im Rahmen von Schulungen oder Webinaren zu den Inhalten geschult werden, die für sie relevant sind. Zum Beispiel sollte eine Redakteurin oder ein Redakteur darauf achten, dass die nicht textuellen Inhalte der Website (Bilder und Grafiken) mit Alternativtexten bestückt werden. Beim Implementieren neuer Navigationselemente sollte das Entwicklerteam beachten, dass die Navigation nicht nur mit einer Maus, sondern auch über eine Tastatur gut zu bedienen ist.

Die konsistente Dokumentation (etwa Styleguides oder Checklisten) der barrierefreien Gestaltung dient allen Beteiligten langfristig zur Orientierung.

Auf geht’s!

Auf dem Weg zu barrierefreien IT-Lösungen gilt es viele Rahmenbedingungen im Blick zu behalten, um eine korrekte und fristgerechte Umsetzung realisieren zu können. Hierbei stehen unsere Expertinnen und Experten gerne als fachkundiger Partner zu Seite. Im Public-Bereich von adesso möchten wir unsere Expertise in der Implementierung von Barrierefreiheit kontinuierlich erweitern und freuen uns auf herausfordernde Projekte!

Ihr möchtet gern mehr über spannende Themen aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung erfahren? Dann werft auch einen Blick in unsere bisher erschienenen Blog-Beiträge.

Bild Stefanie Bluhm

Autorin Stefanie Bluhm

Stefanie Bluhm berät im Bereich Public von adesso mit Fokus auf Usability im Anforderungsmanagement und Barrierefreiheit. Aktuell konzipiert und implementiert sie mit einem agilen Team eine barrierearme Anwendung für eine Bundesbehörde.

Bild Yelyzaveta  Miroshnychenko

Autorin Yelyzaveta Miroshnychenko

Yelyzaveta Miroshnychenko ist als IT-Consultant in der Line of Business Public bei adesso SE am Standort Berlin tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt bildet Requirements Engineering mit Fokus auf Usability und Barrierefreiheit. Im aktuellen Projekt beschäftigt sie sich intensiv mit der Geschäftsprozessoptimierung.

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