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Was ist denn eine DiPA? Heißt das nicht eigentlich DiGA?

Das stimmt nicht ganz, denn neben den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) gibt es bald auch die Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA). Erst am 2. Dezember 2022 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die erste Version des DiPA-Leitfadens veröffentlicht, in dem die Anforderungen und das Antragsverfahren von DiPA näher beschrieben werden.

Bereits im Juni 2021 wurden die softwarebasierten DiPA durch das Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) in die soziale Pflegeversicherung eingeführt. Dadurch haben rund vier Millionen Pflegebedürftige in häuslicher Versorgung zukünftig Anspruch auf die Erstattung solcher digitalen Anwendungen in Höhe von bis zu 50 Euro im Monat. Die Entscheidung für oder gegen eine Kostenübernahme trifft die Pflegekasse gemäß einer Einschätzung über die Notwendigkeit einer DiPA für den Pflegebedürftigen.

Doch wozu dienen DiPA den Pflegebedürftigen überhaupt?

DiPA sollen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten von Pflegebedürftigen reduzieren und einen weiteren Anstieg der individuellen Pflegebedürftigkeit verhindern. Es ist hervorzuheben, dass sie ausschließlich in der häuslichen Pflege unterstützen. Die Anwendung von DiPA erfolgt durch den Pflegebedürftigen selbst oder in der Interaktion mit Pflegenden und kann zu einer Stabilisierung der häuslichen Versorgungssituation beitragen.

Und wie wird eine digitale Anwendung zur DiPA?

Um in das neu zu errichtende DiPA-Verzeichnis aufgenommen und somit eine Digitale Pflegeanwendung zu werden, muss die Erfüllung der Anforderungen an eine DiPA im Rahmen eines Prüfverfahrens vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachgewiesen werden: Auf Antrag des Herstellers prüft das BfArM innerhalb eines Bewertungszeitraums von normalerweise drei, in begründeten Einzelfällen maximal sechs Monaten, ob die Herstellerangaben die DiPA-Anforderungen erfüllen. Ist dies der Fall, wird die Anwendung in das Verzeichnis aufgenommen. Treffen die Anforderungen nicht zu, wird der Antrag abgelehnt.

Aber um welche Anforderungen an eine DiPA handelt es sich?

Neben den regulatorischen Anforderungen, die weiter unten aufgeführt werden, muss eine Anwendung zunächst die grundsätzlichen Merkmale einer DiPA erfüllen. Dazu zählen der innerhalb einer quantitativen Studie nachgewiesene pflegerische Nutzen sowie der Gebrauch der Anwendung in der häuslichen Pflege durch den Pflegebedürftigen. Dabei kann der Nutzen neben dem Mindern von Beeinträchtigungen der Pflegebedürftigen auch das Verringern und Vermeiden pflegerischer Risiken im häuslichen Umfeld oder die Unterstützung ehrenamtlich Pflegender zur Stabilisierung der Versorgungssituation darstellen. Das bedeutet, dass zusätzlich zu den Pflegebedürftigen auch ehrenamtlich Pflegende – etwa Angehörige – als Nutzerzielgruppe einer DiPA in Frage kommen.

Bei der Entwicklung von DiPA ist es wichtig, dass die Anwendung den Pflegebedürftigen in einem der folgenden Bereiche Nutzen leistet:

  • Mobilität,
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
  • Selbstversorgung,
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte,
  • Haushaltsführung oder
  • Stabilisierung der häuslichen Versorgung.

Ein entscheidendes Merkmal einer DiPA ist weiterhin die digitale Hauptfunktion. Wenn es für den Zweck der Anwendung erforderlich ist, kann sie aber auch Hardware, wie Sensoren oder Geräte, enthalten. Außerdem kann es für die Zweckerfüllung oder für eine persönliche Hilfestellung beziehungsweise punktuelle Anleitung der DiPA durch Dritte erforderlich sein, die digitale Anwendung mit ergänzenden Unterstützungsleistungen durch ambulante Pflegedienste zu kombinieren. Für diese Unterstützungsleistungen können zusammen mit den Aufwendungen für die DiPA insgesamt maximal 50 Euro im Monat erstattet werden.

Die regulatorischen Anforderungen an eine DiPA basieren auf dem Grundsatz, dass nur Anwendungen mit sicherer und leichter Nutzung im Bereich der Langzeitpflege erfolgreich sein können. Die übergreifenden Anforderungen an eine DiPA sind die

  • Sicherheit und Funktionstauglichkeit,
  • der Datenschutz und die Datensicherheit,
  • die Interoperabilität sowie
  • die Qualität.

DiPA müssen keine Medizinprodukte sein – können es aber. Als Unterschied ergibt sich lediglich, dass die Aspekte der Sicherheit und Funktionstauglichkeit für Medizinprodukte aufgrund des Konformitätsbewertungsverfahrens nach der Medical Device Regulation (MDR) als erbracht angesehen werden, während für Nichtmedizinprodukte verschiedene Anforderungen beachtet werden müssen. Die Sicherheitskriterien für Nichtmedizinprodukte sind gemäß der Anlage 1 der Digitalen Pflegeanwendungen-Verordnung (DiPAV) nachzuweisen. Hierbei handelt es sich um einen Fragebogen mit Ja-/Nein-Aussagen, die zur Erfüllung der Anforderungen alle als zutreffend markiert werden müssen.

In der Anlage 1 finden sich überwiegend Vorgaben für die Prozessgestaltung beim Hersteller. Es wird ein Qualitätsmanagementsystem mit einem Risikomanagement und definierten Produktlebenszyklusprozessen gefordert. Um die Erfüllung der Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit nachzuweisen, müssen Hersteller ab 2024 Zertifikate des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) einreichen. Bis dahin ist die Anlage der Digitalen Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) zu den Themen Datenschutz und -sicherheit auf DiPA zu übertragen. Hersteller von DiPA benötigen außerdem ein Zertifikat über die Umsetzung eines Managementsystems für Informationssicherheit (ISMS) nach ISO 27001 und müssen einen Penetrationstest durchführen, um ein sicheres System zum Zeitpunkt der Antragstellung nachzuweisen.

Die weiteren Qualitätsanforderungen werden in der Anlage 2 der DiPAV definiert. Sie beinhalten Anforderungen an die

  • Interoperabilität,
  • Robustheit,
  • den Verbraucherschutz,
  • die altersgerechte Nutzbarkeit,
  • Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit,
  • Unterstützung der Pflegebedürftigen und Nutzenden,
  • Qualität der pflegebezogenen Inhalte sowie an die
  • Sicherheit der Pflegebedürftigen (Sicherheit Patientinnen und Patienten).

Bezüglich der Anforderungen an die Interoperabilität müssen DiPA in der Lage sein, menschenlesbare, ausdruckbare sowie maschinenlesbare, interoperable Daten auszuspielen. Zudem benötigen sie eine interoperable Schnittstelle zum Datenaustausch mit Medizingeräten oder Wearables. Hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit sollten sich Hersteller an Normen halten: Zur Kontrolle der Selbsterklärbarkeit der Anwendung müssen dem BfArM bei der Antragstellung kostenfreie Zugangsdaten zur DiPA zur Verfügung gestellt werden. Um die Nutzenden zu unterstützen, muss zum Beispiel Schulungsmaterial vorliegen und Nutzendenanfragen müssen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden.


Der Weg von der digitalen Anwendung zur Digitalen Pflegeanwendung (Quelle: DiPA-Leitfaden vom BfArM in der Version 1.0)

Zusammenfassung: Worauf kommt es bei der Entwicklung von DiPA an?

Die oben gezeigte Abbildung fasst den Weg von der digitalen Anwendung hin zur Digitalen Pflegeanwendung zusammen. Um vom BfArM im DiPA-Verzeichnis gelistet und somit von der Pflegekasse erstattet werden zu können, muss im Fokus eine native App oder Browser-/Desktop-Anwendung stehen, deren Hauptfunktion nachweislich einen pflegerischen Nutzen für Pflegebedürftige im häuslichen Kontext bietet. Des Weiteren muss der Hersteller belegen, dass die regulatorischen Anforderungen der DiPAV hinsichtlich Sicherheit und Funktionstauglichkeit, Datenschutz und -sicherheit, Interoperabilität sowie bzgl. weiterer Qualitätsmerkmale, wie beispielsweise Nutzerfreundlichkeit, erfüllt werden.

Es ist daher ratsam, sich rechtzeitig Know-how zu verschaffen und im Detail über die Anforderungen zu informieren, die ein Unternehmen für die Entwicklung einer DiPA umsetzen muss.

Insbesondere wenn man bisher über keinerlei Erfahrung in der Entwicklung und Inverkehrbringung von Medizinprodukten verfügt, stehen wir euch gerne als qualifizierter Partner für die Konzeption, Entwicklung und den Betrieb von DiPA zur Seite.

Weitere Themen sowie unsere Leistungen für den Gesundheitessektor findet ihr auf unserer Website.

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.

Bild Emily Hossfeld

Autor Emily Hossfeld

Emily Hossfeld arbeitet als Associate Requirements Engineer im Bereich Personal Health. Sie hat Assistive Technologien" (B.Eng.) und Technical Entrepreneurship and Innovation" (M.Sc.) studiert. Ihr Schwerpunkt liegt neben dem Anforderungsmanagement in der menschzentrierten Produktentwicklung: In verschiedenen Projekten durchlief sie die Product Discovery Phase an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesundheit und gestaltete Apps, um Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige zu unterstützen.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Gesundheitswesen

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