10. Oktober 2022 von Fernando Arévalo
Eine Einführung zur maschinellen Datenerfassung in dem Shopfloor
Das Auffinden von Mustern in Daten ist eine Aufgabe, die Datenwissenschaftlerinnen und wissenschaftler sowie Fachleute beschäftigt. Industrieunternehmen sind daran interessiert, weil die Entdeckung von Mustern zur Prozessoptimierung (zum Beispiel zur Ermittlung des besten Prozessrezepts oder einer Reihe von Prozessparametern), zur Ermittlung der Ursachen von Anomalien, zur Materialprognose für das Versorgungsmanagement und zur Vorhersage des Energieverbrauchs führen kann. Daten sind also ein entscheidendes Unternehmensgut, das einen Mehrwert schaffen kann. Ein erster Meilenstein ist die Erfassung von Maschinendaten. Zu diesem Zweck spielt die Shopfloor-Konnektivität eine wesentliche Rolle, da sie den Zugriff auf Maschinendaten ermöglicht. Auf diese Weise können die Daten gespeichert, bearbeitet, analysiert und modelliert werden. Schließlich können die Ergebnisse der Datenanalyse und der Modellierung zur Optimierung des Prozesses und zur Schaffung eines Wettbewerbsvorteils für das Unternehmen genutzt werden.
Ein Beispiel
Der Betriebsleiter kommt von der letzten Industriemesse zurück. Er berichtet in seinem Team: Ich habe an einem der Stände eine schöne Demonstration der Maschinendatenerfassung gesehen. Vorführung auf einer Messe? In der Regel ein (sehr) einfacher Anwendungsfall mit einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS), einigen Sensoren und einem hübschen Dashboard zur Anzeige von Variablen, Trends und einigen Indikatoren. Der Betriebsleiter trommelt sein Ingenieurteam zusammen. Das Ingenieurteam leistet hervorragende Arbeit bei der Ausführung erfolgreicher Projekte in den Produktionshallen. Typische Aufgaben des Ingenieurteams? Aufrüstung der elektrischen Infrastruktur, Installation neuer Maschinenlinien, Austausch von Automatisierungskomponenten. Der Manager bittet um ein Pilotprojekt an einer der Maschinen für das nächste Quartal. Die Engineering-Leiterin kratzt sich am Kopf. Ist doch eine nette Abwechslung zum Tagesgeschäft und eine gute Gelegenheit, etwas Neues zu lernen, oder? Das Projekt ist festgelegt.
Die Engineering-Leiterin ruft ihr Team zusammen und sie machen sofort ein Brainstorming. Drei bis vier Monate sind knapp bemessen, nicht wahr? Das Team gibt den Startschuss für das Projekt. Gut, das Rad ist in Bewegung. Sie erstellen einen Plan und legen die wichtigsten Meilensteine fest:
- Vorschlag für den Anwendungsfall (zum Beispiel die Definition von Zielen, Erfolgsmaßstäben, Budget, Gesamtumfang und/oder Meilensteinen).
- Bewertung der Maschinenkonnektivität (beispielsweise Kommunikationskarten in den SPS und industriellen PCs [IPC]).
- Ein erster Architekturentwurf für die Datenerfassung (etwa ein Ad-hoc-Backend für die Datenerfassung sowie ein Dashboard).
- Ausführungsplan (zum Beispiel in Form eines Gantt-Diagramms oder agil).
Die Beteiligten sind sich einig. Wir werden uns dieses Mal auf die Auswertung der Maschinenkonnektivität konzentrieren. Die Digitalisierung ist ein großer Kuchen, bitte ein Stück nach dem anderen. Im Folgenden schauen wir uns das Thema im Detail an.
Die Shopfloor-Konnektivität
Der Bereich der Daten gehört zu zwei verschiedenen Welten: Auf der einen Seite haben wir den Shopfloor mit all den Maschinen und Geräten. Dort entstehen die Daten. Auf der anderen Seite haben wir den Bereich der Datenwissenschaften, wo die Daten einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Also gut! Das ist noch nicht alles. Wir haben noch weitere Parteien – dazu gehören unter anderem das Qualitätskontrollsystem, das Enterprise Resource Planning (ERP) und das Manufacturing Execution System (MES)/Distributed Control System (DCS)/Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA). Wie oben beschrieben, suchen die Datenwissenschaftlerinnen und wissenschaftler nach Mustern in den Daten. Der wichtigste Schritt ist dabei die Erfassung der Rohdaten. Manchmal ist es die CSV/XML-Datei, die die Maschine liefert, oder die Abfrage eines Datenpunkts direkt von der Maschine über ein Kommunikationsprotokoll. Auch wenn der Weg zu den Daten lang ist, ist der erste Meilenstein die Sicherstellung der Konnektivität der Maschine oder des Shopfloors. Einige der häufigsten Herausforderungen, die bei dieser Tätigkeit auftreten, sind:
- Die Maschine hat keine Kommunikationskarte. So hart es auch klingen mag, diese Situation bedeutet, dass die Maschinen nicht zugänglich sind und daher keine Möglichkeit besteht, Daten zu sammeln. Diese Situation ist zwar nicht der Normalfall, aber dennoch möglich.
- Es gibt kein industrielles Netzwerk in dem Shopfloor. Wie beim vorherigen Punkt gibt es keine Möglichkeit, Daten zu sammeln, wenn die Maschinen als Inselsysteme arbeiten. Daher muss das Team ein industrielles Netzwerk in dem Shopfloor einrichten.
- Das Kommunikationsprotokoll ist nicht mit dem Datenerfassungssystem kompatibel. Gängige industrielle Kommunikationsprotokolle für die Datenerfassung sind OPC-UA und MQTT. Allerdings sind nicht alle Maschinen mit diesen Protokollen ausgestattet. Die Lösung ist eine Aufrüstung der Maschine durch einem Retrofit (zum Beispiel Gateway MODBUS-TCP zu OPC-UA).
- Die Maschine verwendet nur ein proprietäres Protokoll. Die Steuerung verfügt jedoch über Digital Input (DI)/Digital Output (DO). Die letzte Ressource ist jedoch die feste Verdrahtung der Signale, die wir erhalten möchten, mit einem mittleren Gerät (etwa Datenlogger), das mit dem Datenerfassungssystem kommunizieren kann.
- Die Maschine liefert nur XML/CSV-Dateien. Diese Situation impliziert einen gemeinsamen Ordner zwischen der Maschine und dem Datenerfassungssystem. Auf diese Weise kann das Datenerfassungssystem die Datei abrufen.
Bis zu diesem Punkt haben wir die üblichen Herausforderungen für die Konnektivität in der Fertigung identifiziert. Das scheint eine Menge an Informationen zu sein, die verarbeitet werden müssen, nicht wahr? Wie wäre es mit einem Übersichtsdiagramm, um die Informationen zusammenzufassen? Das Diagramm veranschaulicht einen typischen Aufbau für die Shopfloor-Konnektivität:

Architekturbeispiel für maschinelle Datenerfassung
Auf der linken Seite wird zwischen den Ebenen der Maschinenkommunikation unterschieden. Auf der rechten Seite werden die verschiedenen Ebenen der Automatisierungspyramide entsprechend dem ISA-95 dargestellt.
Bislang hat das Team aus dem oben genannten Beispiel die Konnektivität der Maschinen bewertet. Bis zu diesem Punkt sind die Maschinen zugänglich, und die Daten können abgerufen werden. Aber halt, es kommt das Gefühl auf, dass noch etwas fehlt. Ja, welche Daten werden überhaupt benötigt? Das Team stellt fest, dass viele Variablen von der Maschine verfügbar sind (etwa die Produktnummer, die für die Produktion benötigte Zeit, die Zeit, in der die Maschinen stillstehen und alle möglichen Variablen der SPS). Darüber hinaus generieren mehrere Systeme Daten: Maschine, MES, Energiemanagement, Qualitätskontrolle und andere Geräte (bildgebende Systeme für die vorausschauende Wartung, Sicherheitssysteme, Sprinkleranlage).
Vorarbeiten für die Maschinendatenerfassung
Bei dieser Aufgabe ist es wichtig, die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
- Es muss bestimmt werden, welche Maschinen oder Systeme (unter anderem MES, Energiemanagement) für das Datenerfassungssystem in Frage kommen. Die Datenmenge, die eine Anlage erzeugen kann, darf nicht unterschätzt werden.
- Liste der Signale pro Datenquelle und Erfassungsstrategie (beispielsweise Polling und/oder ereignisbasiert).
- Besteht ein Bedarf an Datenstreaming?
- Die Definition einer Datenstruktur. Strukturierte Daten erleichtern das Data Engineering und die nachträgliche Datenanalyse und -modellierung.
- Eine Auswahl der Datenspeicherung. Sollen die Daten vor Ort, in der Cloud oder in einem Hybridsystem gespeichert werden?
- Was ist, wenn die gewünschten Signale nicht vorhanden sind? Diese Situation erfordert zusätzliches Engineering und Retrofits (zum Beispiel Signalidentifizierung, Sensorauswahl, SPS-Programmierung, Datenlogger).
- Nicht zuletzt müssen die verschiedenen Fabriksysteme für das Datenerfassungssystem zugänglich sein. Die Systemintegration spielt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Entwicklungsplattform für das Datenerfassungssystem.
Nächste Schritte
Die Konnektivität im Shopfloor wurde ebenso überprüft wie der Vorspann zur Maschinendatenerfassung. Die weiteren Schritte umfassen die Gestaltung des Datenmanagementsystems, die Bewertung der Vernetzung der verschiedenen Fabriksysteme, die Überlegungen für das Backend und Frontend oder die Nutzung einer etablierten IoT-Plattform, die Überlegung, welche Art der Datenanalyse durchgeführt wird, eine Strategie für die prediktive Wartung mit Hilfe von Datenwissenschaften oder auch KI-Modelle zur Bewertung der Produktion.
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