28. August 2025 von Dr. Stefanie Ehrlich
KI-Agenten vs. Kundenportal: Symbiose statt Konkurrenz
Kennt ihr den Ohrwurm „Video Killed the Radio Star“, den The Buggles 1979 veröffentlichten? Der Song wurde zur Hymne einer technologischen Revolution. Das Radio wurde jedoch nicht verdrängt – immerhin hat das Medium Radio bis heute Bestand. Nein, das besungene Konkurrenzmedium Video hat das Radio nicht verdrängt. Heute bestehen beide Medien parallel und ergänzen sich. 40 Jahre später stellen wir uns eine ähnliche Frage: Werden KI-Agenten das klassische Kundenportal obsolet machen? Oder erleben wir erneut eine Symbiose, die Altbewährtes und Neues zusammenführt und die Stärken beider Systeme hervorhebt?
Die Antwort ist – zumindest für uns bei adesso Life Sciences – klar: Symbiose statt Konkurrenz. KI-Agenten und Kundenportale werden den Branchen Life Sciences, Healthcare und Medtech eine neue Dimension der digitalen Interaktion ermöglichen – sowohl regulatorisch als auch innovativ.
Zwischen Hype und Realität
Die IT-Branche liebt Trends, die als „Game Changer“ gefeiert werden. Derzeit ist es, wie kaum anders zu erwarten, die Künstliche Intelligenz (KI), die in sämtlichen Bereichen des Alltags Einzug erhält. Täglich werden neue Nutzungsweisen und Wege veröffentlicht, KI in den Alltag zu integrieren. Dabei hat das Phänomen den Endverbrauchermarkt schon längst erreicht. Immer häufiger binden Unternehmen in ihren bestehenden Kundenportalen auch KI-Lösungen ein, um ihre Effizienz zu steigern oder die Nutzereinbindung zu optimieren. Denn KI bietet die Möglichkeit, Aufgaben teilweise oder vollständig zu automatisieren, Datenströme zu optimieren und maßgeschneiderte, personenbezogene Nutzererlebnisse zu liefern. Da Kundenportale den Auftritt und die Serviceeinheit vieler Unternehmen darstellen, ist die Frage der Implementierung einer KI in das Kundenservice-Konstrukt nachvollziehbar.
Ganz im Sinne des Hypes wird oft undifferenziert nur von KI gesprochen, denn wer KI integriert, surft mit auf der Welle des Trends. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint? Wenn wir generalistisch von KI sprechen, können hier unterschiedliche Anwendungsfälle, oder auch KI-Arten unterschieden werden (Wer mehr Informationen zu KI und ihren Use Cases benötigt, kann sich hier aufschlauen.) Generell differenzieren wir stark vereinfacht zwischen drei Arten künstlicher Intelligenz:
- 1. Analytische KI: Sie ist regelbasiert, wertet Daten aus und unterstützt zum Beispiel bei Prognosen, Segmentierung oder Analysen. Man spricht auch gerne von „klassischer KI“. Häufig bildet sie die unsichtbare Grundlage für andere Systeme.
- 2. Generative KI: Modelle wie GPT oder Gemini, die auf Basis von Large Language Models (LLM) Texte erzeugen oder Inhalte generieren – extrapoliert von ausreichend vielen Trainingsdaten.
- 3. KI-Agenten: Dabei handelt es sich um handlungsfähige, teilautonome Systeme, die ein dediziertes Ziel verfolgen
Vollintegrierte Kundenportale
Nahtlos. Digital. Kundenorientiert.
Mit vollintegrierten Kundenportalen schafft ihr personalisierte Erlebnisse, erhöht die Effizienz und stärkt das Vertrauen eurer Zielgruppen – ob Patientinnen und Patienten, ärztliches Personal oder Partner. adesso begleitet euch von der Strategie bis zur Umsetzung mit fundierter Branchenexpertise und modernen Technologien.
Die Einbindung von einzelnen KI-Lösungen, oder einem aufeinander aufbauenden System aus verschiedenen KI-Anwendungsfällen, kann neue Möglichkeiten für die B2B oder B2C-Kommunikation schaffen.
Die Frage, ob Kundenportale noch zeitgemäß sind oder durch KI-Agenten ersetzt werden sollten, drängt sich immer stärker auf. Unsere Haltung ist eindeutig: KI ist kein Trend, sondern ein Muss – dennoch bleiben Kundenportale das unverzichtbare Rückgrat der digitalen Interaktion, besonders in patientennahen Branchen wie den Life Sciences, Healthcare und Medtech.
Die Symbiose von KI-Agent und Kundenportal
Kundinnen und Kunden erwarten proaktive Betreuung, Self-Service-Optionen und On-Demand-Zugriff auf wichtige Informationen. Ein vollintegriertes Kundenportal erfüllt diese Anforderungen und bietet sowohl für Unternehmen als auch Kundinenn und Kunden wertvolle Vorteile, wie bereits mein Kollege Markus Grefer in seinem Blogartikel „Von der Vision zur Realität – Wie ein Kundenportal Prozesse transformiert und Nutzende begeistert“ herausgestellt hat. Hier in Kürze ein Überblick:
Vorteile für Unternehmen:
- Effizienzsteigerung:
- Reduktion von Nachfragen durch transparente Prozesse (etwa bei Statusabfragen im Reklamationsmanagement).
- Schnellere Time-to-Market durch agile Methoden und Priorisierung.
- Kostensenkung: Konsolidierung von Prozessen und Vermeidung redundanter Lösungen.
- Verbesserte Zusammenarbeit: Die IT wird als strategischer Partner wahrgenommen, nicht nur als Dienstleister.
- Optimierte Ressourcenbindung: Eliminierung von Schatten-IT und zentralisierte Lösungen.
Vorteile für Kundinnen und Kunden:
- Zeitersparnis: Direkter Zugriff auf relevante Informationen wie Zertifikate, Dokumentationen und Software-Updates.
- Selbstständigkeit: Möglichkeit, Anfragen und Prozesse eigenständig zu verwalten (zum Beispiel bei Reklamationen oder Lizenzverwaltungen).
- Personalisierte Erlebnisse: Empfehlungen und Services basierend auf Nutzungsdaten.
- Niedrige Einstiegshürden: Einfache Registrierung und Nutzung durch intuitive Designs und flexible Zugriffsmodelle.
Die Vorteile eines Kundenportals – auch ohne KI – sind evident. Die Einbindung von KI-Lösungen lässt jedoch weitere Optimierungen zu: Als datengetriebene Systeme können KI-Agenten auf die konsistenten Stammdaten, dokumentierte Prozesse und User Journeys eines Kundenportals aufbauen und sich diese zu eigen machen.
KI-Agenten übernehmen spezialisierte, repetitive oder datenintensive Aufgaben, die den Kundenservice effizienter machen. Sie können Anomalien in Maschinendaten erkennen, relevante Dokumente für bestimmte Rollen identifizieren oder als Erstkontakt-Agenten fungieren, die Kundenanfragen entgegennehmen und an das Case-Management weiterleiten. Doch trotz ihrer Fähigkeiten stoßen KI-Agenten an ihre Grenzen. Komplexe Prozesse wie das Retouren- oder Vertragsmanagement sowie compliance-kritische Dokumentationen bleiben die Domäne des Kundenportals. KI-Agenten können diese Portale demnach ergänzen, aber nicht ersetzen.
Neben all den Vorteilen, die eine KI haben mag, ist es ebenso wichtig, die Risiken zu betrachten. Die Versuchung ist groß, KI als Wundermittel zu betrachten, das alle Altlasten der Digitalisierung beseitigt. Doch hierin liegen auch unternehmerische sowie anwendungsrelevante Risiken und Gefahren. Eine mögliche Gefahr ist die Überautomatisierung. Wer zu stark auf KI setzt, riskiert, individuelle Bedürfnisse aus dem Blick zu verlieren und Anwenderinnen und Anwender zu überfordern. Nicht jede Anfrage lässt sich sinnvoll vollständig automatisieren und der Mensch bleibt in vielen Prozessen unverzichtbar. Zudem besteht beim Einsatz von KI-Plattformen das Risiko, sich von wenigen großen Lösungsanbietern abhängig zu machen. Diese Abhängigkeit könnte die Innovationskraft und Unabhängigkeit eines Unternehmens langfristig einschränken. Ein weiteres zentrales Thema ist die Datensicherheit. Je mehr Daten durch KI verarbeitet werden, desto höher sind die Anforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit.
Die Chancen und Grenzen von KI in stark reguliertem Umfeld
Zu den besonders schützenswerten Daten, gehört die Klasse der persönlichen und Gesundheitsinformationen. Und nicht nur damit müssen sich die stark regulierten Umfelder im Healthcare-, Life-Sciences- und Medtech-Bereich befassen. Hier haben zudem weitere Normen und Regularien Einfluss, die sowohl das Kundenportal als auch mögliche KI-Lösungen stark regulieren. Beispiele sind die Medical Device Regulation (MDR) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Mehr dazu erfahrt ihr in dem vorangegangenen Blog-Beitrag „Life Sciences – ein hoch reguliertes Projektumfeld“. Und spätestens da sollte klar sein, dass dem möglichen Einsatz von KI durchaus Grenzen aufgezeigt sind, die bedacht werden sollten, bevor man dem Hype folgt.
Wo können KI-Lösungen für Unternehmen aus Healthcare, Life Sciences und Medtech beispielsweise Mehrwert schaffen und wo sind sie ungeeignet oder sogar riskant?
Wo KI-Agenten echten Mehrwert schaffen (können):
1. Diagnostik: Assistent für Testergebnisse
- Auffällige Laborwerte hervorheben und passende Studien bereitstellen.
- Strukturierte Nachfragen an Labore vorbereiten.
- Informiert und assistiert, ohne medizinische Entscheidungen zu treffen.
2. MedTech: Serviceportal für Wartung und Ersatzteile
- Wartungsbedarfe erkennen und Ersatzteile vorschlagen.
- Serviceformulare vorausfüllen und Produktstatus-Rückfragen beantworten.
- Daten aus Portalen oder APIs nutzen, mit Nutzerbestätigung für kritische Schritte.
Wo KI-Agenten ungeeignet oder riskant sind (oder sein können):
1. Vertragsverhandlungen und Preisgestaltung
- Keine individuellen Rabatte oder rechtlich bindenden Angebote.
- Prozesse sind zu komplex, reguliert und erfordern menschliche Bewertung.
2. Medizinische Beratung oder Therapieempfehlungen
- Keine Diagnosen, Medikamentenvorschläge oder Therapiealternativen.
- Regulatorisch unzulässig und ethisch bedenklich.
Trotz Automatisierung bleibt der persönliche Kontakt in vielen Fällen essenziell, beispielsweise bei sensiblen Diagnosen oder komplexen Fragestellungen. Service-Portale bieten die nötige Flexibilität, um KI-gestützte und menschliche Services intelligent zu kombinieren. Höhere Flexibilität, proaktives Vorgehen und kürzere Reaktionszeiten sind insbesondere in Spitzenzeiten von Vorteil und kommen beiden Seiten zugute.
Fazit
Der Song „Video Killed the Radio Star“ von The Buggles lehrt uns, dass Neues Altes selten vollständig ersetzt, sondern ergänzt. Genauso verhält es sich mit KI-Agenten und Kundenportalen. Beide Technologien arbeiten Hand in Hand, um die Customer Experience auf ein neues Level zu heben. Am Ende bleibt jedoch eine ehrliche Frage: Wie soll ein Kunde einen KI-Agenten nutzen, wenn ihm kein Portal dafür zur Verfügung steht? Ohne die solide Basis eines Portals droht ein Rückfall in ein Chaos paralleler Kommunikationskanäle. Ein Kundenportal schafft nicht nur die technische Grundlage für KI-Agenten, sondern auch die persönliche Verbindung, die in der digitalen Welt oft verloren geht. Die Zukunft liegt nicht im Entweder-oder, sondern im Sowohl-als-auch. KI-Agenten und Kundenportale wachsen zusammen und schaffen gemeinsam eine neue Dimension der digitalen Interaktion. Unternehmen, die diese Symbiose nutzen, werden nicht nur effizienter, sondern auch kundenorientierter – und das ist letztlich der wahre Game Changer.
Wir unterstützen euch!
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