Interview

Die Dynamiken im Bankwesen: Megatrends als Treiber des Wandels

Die Zukunft des Bankwesens gestalten

Wie Innovationen die Wettbewerbsfähigkeit von Banken antreiben

von Nehir Safak-Turhan

Banken sind als Finanzintermediäre unverzichtbar für die Funktionsweise von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie fördern Wachstum, Innovation und Stabilität, während sie gleichzeitig Risiken managen und soziale Verantwortung übernehmen. Ihre Rolle geht über die reine Kapitalvermittlung hinaus und umfasst auch die Unterstützung gesellschaftlicher und ökologischer Ziele. Die Auseinandersetzung mit Megatrends ist für Banken essenziell, um den technologischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.

Gerade technologische Innovationen sind ein entscheidender Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit von Banken. Sie ermöglichen Effizienzsteigerungen, verbessern die Kundenerfahrung, fördern Innovationen und helfen, regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Gleichzeitig stellen sie Banken vor die Herausforderung, sich mit den langfristigen Folgen des Wandels auseinanderzusetzen und ihre Geschäftsmodelle kontinuierlich anzupassen. Banken, die technologische Trends frühzeitig erkennen und umsetzen, können sich langfristig wertvolle Alleinstellungsmerkmale sichern.

Wie wirken sich technologische Megatrends wie KI, Blockchain, digitale Ökosysteme, Plattformen und vielem mehr auf die Branche aus und wie gelingt den Markteilnehmern Adaption und Anpassung? Diese Fragen beleuchten wir im Interview mit Frank Schwab.


Frank Schwab...

...ist Aufsichtsratsmitglied mehrerer internationaler Finanzinstitute und strategischer Berater. Seit 1989 ist er als Referent tätig und arbeitet an der Schnittstelle von Megatrends, Innovation und Technologie im Bankwesen und im Bereich Kryptowährungen. Im Jahr 2025 veröffentlichte er sein Buch „42 Megatrends – Die Zukunft des Bankwesens gestalten“.

Frank Schwab

Nehir: Megatrends sind die treibenden Kräfte, die langfristige und tiefgreifende Entwicklungen auslösen und Gesellschaft, Wirtschaft, Technologie, Politik und Umwelt nachhaltig prägen. Warum ist es insbesondere für Banken wichtig, diese Veränderungen frühzeitig zu erkennen? Welchen unmittelbaren Einfluss haben Megatrends auf das Geschäftsmodell der Banken?

Frank: Megatrends sind Veränderungen, die Branchen, Gesellschaften und Technologien über Jahrzehnte nachhaltig prägen. Für Banken sind sie deshalb besonders relevant, weil sie als Frühwarnsystem fungieren – sie zeigen, wohin sich Kundenverhalten, regulatorische Rahmenbedingungen und technologische Möglichkeiten entwickeln. Wer diese Entwicklungen früh erkennt, kann strategisch Kapital, Talente und Technologie gezielt dorthin lenken, wo neue Profitpools entstehen.

Die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sind unmittelbar. Banken verändern ihre Ertragslogik: Margen aus Zinsen und Gebühren werden zunehmend ergänzt oder verdrängt durch datengetriebene, API-basierte und plattformgestützte Geschäftsmodelle. Produkte werden nicht mehr einmalig entwickelt und verkauft, sondern modular konfiguriert, automatisiert und in Echtzeit angepasst. Gleichzeitig wandelt sich die Betriebslogik: Automatisierung, Parametrisierung und Künstliche Intelligenz machen aus klassischen Funktionssilos flexible, fähigkeitsbasierte Organisationen.

Kurz gesagt: Wer Megatrends versteht, erkennt nicht nur Risiken, sondern vor allem Chancen – und kann die Zukunft aktiv gestalten, statt von ihr überrascht zu werden.

Intensiver Wettbewerb, neue Regularien, Volatilitäten und steigende Komplexität stellen Banken vor Herausforderungen. Dabei werden Entscheidungen bei Unsicherheit getroffen und haben einen unmittelbaren Einfluss darauf, wie Banken sich in Zukunft positionieren. Wie können sie ihre Resilienz stärken, indem sie Megatrends besser verstehen?

Frank: Resilienz entsteht, wenn Banken Unsicherheit nicht fürchten, sondern systematisch managen. Megatrends bieten dabei eine strukturierte Grundlage, um mit Unsicherheit produktiv umzugehen. Indem Banken verschiedene Zukunftsszenarien entwickeln – etwa für Zinsentwicklung, geopolitische Verschiebungen oder technologische Disruptionen – können sie frühzeitig erkennen, welche strategischen Optionen in allen denkbaren Welten sinnvoll sind. Diese sogenannten „No-Regret-Moves“ bilden das Rückgrat einer widerstandsfähigen Organisation.

Resiliente Banken denken in Optionen statt in Prognosen. Sie kombinieren ein stabiles Kerngeschäft mit experimentellen Wachstumsfeldern. Diese werden bei Erfolg schnell skaliert und bei Misserfolg rasch eingestellt. Dieses „Optionsdenken“ schafft strategische Beweglichkeit. Ebenso wichtig ist die Resilienz der technologischen Infrastruktur: Multi-Cloud-Strategien, Datenportabilität und klare Exit-Pläne verhindern, dass Banken in gefährliche Abhängigkeiten geraten.

Wer Megatrends ernst nimmt, baut Resilienz nicht als Reaktion auf Krisen auf, sondern als vorausschauende Fähigkeit. Es geht darum, Veränderung zur Routine zu machen – und Unsicherheit als ständigen Begleiter in eine Quelle strategischer Stärke zu verwandeln.

Geopolitische Spannungen stellen Europa vor neue Herausforderungen. Digitale Souveränität wird als zentraler Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb gesehen. Warum wird es für Banken wichtig, die Kontrolle über ihre digitalen Technologien, Daten und Entscheidungen zu behalten?

Frank: In einer zunehmend geopolitisch fragmentierten Welt wird digitale Souveränität zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Für Banken bedeutet sie nichts anderes als die Kontrolle über die eigenen Technologien, Daten und Entscheidungsprozesse zu behalten. Diese Kontrolle ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern auch der Sicherheit und der regulatorischen Glaubwürdigkeit.

Viele Banken sind heute tief abhängig von globalen Cloud- und Plattformanbietern, deren Infrastruktur, Preissetzung und Compliance-Rahmen sie kaum beeinflussen können. Diese Abhängigkeit kann zum strategischen Risiko werden – besonders, wenn politische Spannungen oder neue Datenschutzregeln den Zugriff auf Systeme und Daten gefährden. Digitale Souveränität bedeutet deshalb, sich technologisch so aufzustellen, dass Kernprozesse, Datenströme und Entscheidungslogiken nachvollziehbar, überprüfbar und bei Bedarf unabhängig betrieben werden können.

Banken, die ihre Datenhoheit sichern, schaffen nicht nur regulatorisches Vertrauen, sondern auch Innovationsfreiheit. Sie können eigene KI-Modelle trainieren, proprietäre Datensätze monetarisieren und Technologien so einsetzen, dass sie Wettbewerbsvorteile sichern. Digitale Souveränität ist somit kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung, um langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Kaum eine Bank kommt am Thema KI vorbei. Zwischenzeitlich gibt es im Bankenwesen zahlreiche Anwendungsfälle für KI, die verschiedene Geschäftsbereiche abdecken. Wie definiert KI die Wertschöpfung im Banking neu und wie wird sich Deiner Meinung nach dieser Megatrend langfristig auf das Bankwesen auswirken?

Frank: Künstliche Intelligenz verändert die gesamte Wertschöpfungskette des Bankings – von der Kundenansprache bis zur Risikoüberwachung. Im Vertrieb ermöglicht KI eine bislang unerreichte Personalisierung: Banken können Bedürfnisse antizipieren, Konversionen steigern und Kunden individuell begleiten. Im Kreditgeschäft eröffnen alternative Datenquellen neue Zugänge zu bislang unterversorgten Kundengruppen. KI-gestützte Modelle erlauben eine kontinuierliche Bewertung von Risiken und Chancen in Echtzeit.

Auch im Backoffice führt KI zu einem tiefgreifenden Wandel. Routineaufgaben werden automatisiert, Prozesse beschleunigt und Fehlerquoten reduziert. Mitarbeiter werden zu „AI-assisted operators“, die Systeme überwachen, interpretieren und weiterentwickeln. Gleichzeitig verändert KI die Governance: neue Risiken – etwa Bias, Modellversagen oder Manipulation – erfordern ein professionelles Model Risk Management und eine klare Verantwortlichkeit.

Langfristig werden Banken zu „AI-first-Unternehmen“. Der Wettbewerbsvorteil ergibt sich nicht mehr primär aus Kapital oder Filialnetz, sondern aus der Qualität der Daten, der Modelle und der Geschwindigkeit, mit der neue Erkenntnisse in Produkte umgesetzt werden. KI ist damit kein Werkzeug, sondern eine neue industrielle Revolution des Finanzwesens – und sie wird die Grenzen zwischen Technologieunternehmen und Banken weiter verwischen.

Die Entstehung neuer Geschäftsmodelle im Banking ist eine weitere Eigenschaft, die mit technologischen Megatrends einhergeht. Open Finance bzw. Open Banking, Blockchain oder die Entstehung plattformbasierter Ökosysteme werden in diesem Kontext als vielversprechende Geschäftsmodelle definiert. Wie können Banken auf Basis dieser technologischen Innovationen neue Quellen für Wachstum und Ertrag erschließen? Was muss heute getan werden?

Frank: Die nächste Wachstumsphase im Banking wird nicht durch neue Produkte, sondern durch neue Geschäftsmodelle entstehen. Open Finance, Blockchain und Plattformökosysteme eröffnen Banken die Möglichkeit, Finanzdienstleistungen in völlig neuen Kontexten anzubieten – eingebettet in digitale Kundenerlebnisse, Handelsplattformen oder Unternehmensprozesse.

Offene Schnittstellen, auch APIs genannt, verwandeln Bankdienstleistungen in skalierbare Module, die von Partnern integriert und über Gebühren- oder Transaktionsmodelle monetarisiert werden können. Banken werden dadurch vom reinen Anbieter zum Orchestrator: Sie verbinden ihre eigenen Produkte mit denen externer Anbieter und schaffen so Netzwerkeffekte, die Wachstum und Kundenbindung fördern.

Blockchain-Technologien ermöglichen darüber hinaus die Tokenisierung von Vermögenswerten, Einlagen oder Handelsfinanzierungen. Transaktionen können nahezu in Echtzeit abgewickelt werden – mit weniger Gegenparteirisiko und höherer Transparenz. Das eröffnet neue Gebührenmodelle und effizientere Kapitalnutzung.

Entscheidend ist, dass Banken schon heute die Grundlagen schaffen: moderne Kernsysteme, Datenqualität, API-Architekturen, KI-Kompetenzen und regulatorische Klarheit. Nur wer früh beginnt, kann diese Innovationen in tragfähige Ertragsmodelle übersetzen. Die Banken, die Megatrends nicht nur beobachten, sondern in konkrete Transformationsschritte umsetzen, werden die Gewinner des kommenden Jahrzehnts sein.


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