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Wenn Begriffe durcheinandergeraten

In vielen IT-Strategieprojekten oder Digitalisierungsinitiativen fällt schnell das Schlagwort „Prozessorientierung“. IT-Verantwortliche fordern dann eine Organisationsentwicklung, die Prozesse stärker ins Zentrum rückt. Doch wenn man genauer hinsieht, geht es oft gar nicht um die große Transformation, sondern vielmehr darum, das Anforderungsmanagement – also das Demand Management – in den Griff zu bekommen.

Beide Themen hängen eng zusammen, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele und haben sehr verschiedene Konsequenzen für die Organisation. Wer hier nicht klar trennt, riskiert Missverständnisse und Maßnahmen, die am eigentlichen Bedarf vorbeigehen.

Organisationsentwicklung in Richtung Prozessorientierung

Prozessorientierung bedeutet weit mehr als die Einführung einzelner Prozesse. Es handelt sich um einen Managementansatz, der die gesamte Organisation strukturell verändert. Anstelle von Hierarchien und Abteilungsgrenzen rücken End-to-End-Prozesse in den Mittelpunkt.

Das hat weitreichende Folgen: Prozesse werden zur zentralen Steuerungsgröße, Verantwortlichkeiten orientieren sich an Prozessketten statt an Linienfunktionen, Governance-Strukturen schaffen Transparenz sowie klare Entscheidungswege. Aufbau- und Ablauforganisation müssen aufeinander abgestimmt werden, damit die Organisation als Ganzes effizienter, transparenter und steuerbarer wird.

Eine echte Prozessorientierung geht also tief ins organisatorische Gefüge hinein. Sie betrifft Führung, Steuerung, Kommunikation und letztlich auch die Unternehmenskultur.

Demand Management als operativer Prozess

Das Demand Management hingegen ist kein umfassender Managementansatz, sondern ein klar definierter Prozess. Er regelt, wie Anforderungen aus den Fachbereichen aufgenommen, bewertet, priorisiert und schließlich zur Umsetzung gebracht werden.

Im Zentrum steht dabei die Frage, wie man Transparenz über alle Bedarfe schafft und welche Kriterien darüber entscheiden, welche Themen zuerst angegangen werden. Typischerweise werden Anforderungen nach ihrem strategischen Nutzen, ihrer Dringlichkeit oder ihrem Ressourcenbedarf bewertet. Daraus entsteht eine Übersicht, die es ermöglicht, Entscheidungen nachvollziehbar zu treffen und die Umsetzung gezielt zu steuern.

Für ein funktionierendes Demand Management braucht es Rollen wie Demand Manager, Business Analysten oder Steuerungsgremien. Ziel ist es nicht, Kontrolle um der Kontrolle willen aufzubauen, sondern Überlastung zu vermeiden, Ressourcen besser einzusetzen und Doppelarbeit auszuschließen.

Wo die Begriffe verschwimmen

In der Praxis werden Prozessorientierung und Demand Management häufig vermischt. Wenn IT-Verantwortliche nach „Prozessorientierung“ rufen, meinen sie oft: Wir brauchen einen klaren Prozess, um Anforderungen besser zu steuern.

Diese Verwechslung hat nachvollziehbare Gründe. Beide Themen setzen ähnliche Rollen ein, beide schaffen Transparenz, beide haben mit Organisation zu tun. Doch der Unterschied liegt im Maßstab: Während Prozessorientierung die gesamte Organisation neu ausrichtet, optimiert Demand Management lediglich einen einzelnen, wenn auch sehr zentralen Prozess.

Die Beziehung zwischen Prozessmanagement und Demand Management

Klar ist: Ein gutes Prozessmanagement umfasst automatisch ein gutes Demand Management. Wenn Prozesse als Managementansatz etabliert sind, gehört der Anforderungsprozess selbstverständlich zur Prozesslandkarte. Er ist dann klar definiert, gesteuert und in den organisatorischen Strukturen verankert.

Umgekehrt braucht ein Demand Management jedoch nicht zwingend ein vollumfängliches Prozessmanagement. Viele Unternehmen entscheiden sich bewusst dafür, zunächst „nur“ ein sauberes Anforderungsmanagement aufzubauen. Das ist oft pragmatischer, weniger komplex und schneller umsetzbar – besonders dann, wenn der eigentliche Schmerzpunkt im unklaren Umgang mit Bedarfen liegt.

Die Kunst besteht darin, den Reifegrad der eigenen Organisation realistisch einzuschätzen. Wer lediglich Ordnung in den Anforderungen schaffen will, ist mit einem fokussierten Demand Management gut beraten. Wer die Organisation jedoch grundsätzlich auf Prozessorientierung ausrichten möchte, muss größer denken und Demand Management als Teil eines umfassenderen Prozessmanagementsystems verankern.

Allerdings steckt in dem Demand Management schon eine Menge Prozessmanagement. Der Demand – also die Anforderung – wird idealerweise durch einen Prozessverantwortlichen definiert. Sofern es keine entsprechenden Prozessverantwortlichen in der Organisation gibt, bleibt das Demand Management ohne Auftraggeber, auch ohne offizielle Freigabe der umgesetzten Maßnahme. Somit ist die zentrale Rolle des Prozessmanagements, der Prozessverantwortlichen, ausschlaggebend für den Erfolg des Demand Managements. Ein bisschen beißt sich die Schlange also in den eigenen Schwanz. Es gibt jedoch pragmatische Lösungen für diesen Fall.

Eine pragmatische Lösung besteht darin, ein temporäres Demand Board einzurichten. Dieses Gremium bündelt Vertreter der wichtigsten Fachbereiche und der IT, übernimmt vorübergehend die Rolle des Auftraggebers und priorisiert eingehende Anforderungen. Auf diese Weise bleibt das Demand Management handlungsfähig, auch wenn noch keine offiziellen Prozessverantwortlichen existieren und gleichzeitig entsteht Klarheit darüber, welche Rollen künftig dauerhaft etabliert werden sollten.

Praxisbeispiele: Typische Ausgangslagen in Unternehmen

Viele Organisationen stehen an einer Weggabelung: Reicht ein gezieltes Demand Management oder braucht es die umfassendere Prozessorientierung? Typische Szenarien sind zum Beispiel:

  • Das überlastete IT-Team: Anforderungen aus den Fachbereichen stapeln sich, Priorisierungen erfolgen informell, und niemand weiß genau, warum manche Themen umgesetzt werden und andere nicht. Hier hilft in der Regel ein sauberes Demand Management, das Transparenz schafft und die Diskussion auf eine klare Grundlage stellt.
  • Die fragmentierte Prozesslandschaft: Unterschiedliche Abteilungen optimieren ihre Abläufe für sich selbst, Schnittstellen bleiben unklar, und End-to-End-Prozesse sind kaum sichtbar. In solchen Fällen reicht ein Demand Management nicht aus – hier braucht es Prozessmanagement als Managementansatz, um die Organisation neu zu strukturieren.
  • Die wachsende Organisation: Start-ups und junge Unternehmen wachsen schnell und merken irgendwann, dass weder Anforderungen noch Prozesse geordnet laufen. Für sie kann Demand Management ein erster Schritt sein, bevor sie in einem zweiten Schritt den Übergang zur Prozessorientierung schaffen.

Diese Beispiele zeigen: Die Frage ist nicht, ob das eine „richtiger“ ist als das andere. Entscheidend ist, welches Problem gelöst werden soll und welches strukturelle Fundament im Unternehmen bereits existiert.

Fazit: Klarheit in der Begriffswelt – Klarheit in der Organisation

Ob Organisationsentwicklung oder Demand Management: Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, dürfen aber nicht verwechselt werden. Wer in Wahrheit nur die IT-Bedarfe in den Griff bekommen will, sollte beim Demand Management ansetzen. Das ist weniger aufwendig, schneller umsetzbar und adressiert das unmittelbare Problem. Wer dagegen eine grundlegende Transformation anstrebt, sollte den Weg zur Prozessorientierung einschlagen – wohl wissend, dass dies tief in Strukturen und Kultur eingreift.

Am Ende geht es um Präzision. Wer klar benennt, was er eigentlich erreichen will, schafft die Grundlage für wirksame Lösungen. Bedarfe lassen sich durch Demand Management steuern, während Prozessmanagement den organisatorischen Rahmen für nachhaltige Veränderung bildet. Beide ergänzen sich, beide haben ihre Rolle. Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Einstiegspunkt zu wählen – und nicht im Schlagwort-Dschungel den Überblick zu verlieren.

adesso schafft Klarheit zwischen Prozessorientierung und Demand Management

Wir unterstützen Unternehmen dabei, den richtigen Ansatz für ihre Situation zu wählen – sei es der pragmatische Aufbau eines wirksamen Demand Managements oder die umfassende Organisationsentwicklung in Richtung Prozessorientierung. Unser Vorgehen verbindet beides und schafft so nachhaltige Strukturen:

  • Demand Management etablieren: Wir gestalten mit unseren Kunden einen klaren Prozess zur Aufnahme, Bewertung und Priorisierung von Anforderungen. So entsteht Transparenz, Steuerbarkeit und Nachvollziehbarkeit über alle Bedarfe hinweg.
  • Rollen und Verantwortlichkeiten definieren: Gemeinsam schaffen wir ein Rollenmodell, das zwischen Demand Management und Prozessmanagement unterscheidet und trotzdem klare Schnittstellen und Zuständigkeiten sicherstellt.
  • Prozessmanagement gezielt aufbauen: Wo es sinnvoll ist, begleiten wir den Übergang von einem reinen Demand Management hin zu einer breiteren Prozessorientierung – inklusive Prozesslandkarte, Governance-Strukturen und Methodenunterstützung.
  • Integration in den Alltag sichern: Wir sorgen dafür, dass weder Demand Management noch Prozessmanagement als Parallelwelt existieren, sondern eng in der Linienorganisation und den operativen Abläufen eingebunden sind.

Nur Symptome bekämpfen, schafft keine nachhaltige Veränderung

Unsere Erfahrung zeigt: Wer nur Symptome bekämpft, schafft keine nachhaltige Veränderung. Wer dagegen die richtige Balance zwischen pragmatischem Demand Management und strategischem Prozessmanagement findet, baut Strukturen auf, die Transformation wirklich tragen.

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Bild Mike Deecke

Autor Mike Deecke

Mike Deecke ist Managing Consultant im adesso-Geschäftsbereich für Organisationsberatung. Weil Erfolg kein Zufall ist, sondern von richtigen Entscheidungen abhängt, berät Mike erfolgsorientierte Entscheidende bei Transformationsfragen und zwar bevor es in die Umsetzung geht. Damit das Richtige von den Richtigen einfach richtig gemacht wird.


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