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Kaum ein Projekt der Europäischen Zentralbank sorgt derzeit für so viele Diskussionen wie der digitale Euro. Für die einen ist er ein längst überfälliges Update des europäischen Zahlungsverkehrs, für die anderen ein Angriff auf Bargeld, Privatsphäre und Bankenstabilität.

Was stimmt nun und was gehört ins Reich der Mythen? In diesem Blog-Beitrag schauen wir uns die zehn häufigsten Kritikpunkte genauer an und prüfen, wie viel Substanz wirklich dahintersteckt.

Kritikpunkt Nummer 1: Das ist doch Programmiergeld

Kaum ein Vorwurf taucht so häufig auf wie dieser: Mit dem digitalen Euro könnten Regierungen den Menschen vorschreiben, wofür sie ihr Geld ausgeben dürfen. Das klingt nach dystopischem Szenario, ist aber sachlich falsch.

Die EU-Kommission hat in ihrem Gesetzesentwurf klargestellt: Der digitale Euro wird nicht programmierbar sein. Es bleibt ein neutrales Zahlungsmittel. Erlaubt sind lediglich Funktionen, die wir heute schon kennen, etwa Daueraufträge oder zeitlich geplante Zahlungen. Eine „Zweckbindung“ des Geldes selbst wäre ausgeschlossen. Damit ist die Sorge vor „ferngesteuertem Geld“ zwar eingängig, hält aber keiner Prüfung stand.

Kritikpunkt Nummer 2: Mit der CBDC verschwindet das Bargeld

Viele Bürgerinnen und Bürger hängen am Bargeld und fürchten, dass der digitale Euro es schleichend verdrängen könnte. Genau deshalb fährt die EU eine Doppelstrategie: Der digitale Euro ergänzt Bargeld, ersetzt es aber nicht.

Tatsächlich wurde parallel zur Diskussion über den digitalen Euro ein eigener Rechtsakt vorgestellt, der Bargeld rechtlich absichert. Wer also bar zahlen möchte, soll das auch in Zukunft können. An Bargeld wird also nicht gerüttelt, im Gegenteil, sein Status wird sogar gestärkt.

Kritikpunkt Nummer 3: Der gläserne Bürger wird Realität

Ein besonders sensibles Thema ist der Datenschutz. Die Kritik befürchtet, dass künftig jede Transaktion staatlich einsehbar sein könnte.

Die Realität sieht anders aus: Schon heute hinterlassen Kartenzahlungen oder Wallets wie Apple Pay viele Datenspuren, allerdings bei privaten Anbietern. Der digitale Euro soll Privacy by Design bieten: Datenminimierung, klare Rollentrennung und vor allem eine Offline-Funktion, die nahezu das gleiche Maß an Anonymität bietet wie Bargeld. Damit entsteht sogar mehr Privatsphäre als bei vielen bestehenden digitalen Zahlverfahren.

Kritikpunkt Nummer 4: Banken verlieren ihre Einlagen – Gefahr für die Stabilität

Ein weiteres Dauerthema: Wenn Bürgerinnen und Bürger große Summen in digitale Euro umschichten, könnten Banken ihre Einlagen verlieren.

Die EZB begegnet diesem Risiko mit einem einfachen, aber wirksamen Mechanismus: Haltelimits. Geplant sind Beträge im niedrigen Tausenderbereich. Damit bleibt der digitale Euro für Alltagszahlungen attraktiv, verhindert aber, dass er als Sparkonto genutzt wird. Banken behalten ihre Rolle in der Kreditvergabe, und die Finanzstabilität bleibt geschützt.

Im Ernstfall kann die EZB zusätzlich Liquidität bereitstellen. Statt Risikoübertreibung gilt hier: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Kritikpunkt Nummer 5: Das bringt doch keinen echten Mehrwert

Viele fragen sich: Wozu brauchen wir überhaupt einen digitalen Euro, wenn wir schon Karten, Apps und Wallets haben?

Der Mehrwert liegt nicht in noch schnelleren Zahlungen, davon gibt es schon genug. Es geht um Resilienz und Souveränität. Heute hängt Europa im Zahlungsverkehr stark von einigen wenigen, überwiegend außereuropäischen Anbietern ab. Fällt ein System aus oder wird geopolitisch unter Druck gesetzt, fehlen Alternativen.

Der digitale Euro ist eine öffentliche Grundversorgung im Digitalen: Er schafft eine zusätzliche, robuste Zahlungsinfrastruktur, auf die sich im Ernstfall alle verlassen können.

Kritikpunkt Nummer 6: Die EZB wird zum Wettbewerber der Banken

Manche Banken fürchten, dass die EZB mit einem eigenen Geldangebot direkt in Konkurrenz tritt. Doch auch hier gilt: Die Arbeitsteilung bleibt bestehen.

Die EZB stellt die Schiene, Banken und Zahlungsdienstleister fahren darauf ihre Züge. Wallets, Kundenschnittstellen, KYC-Prozesse und Zusatzservices, all das bleibt in der Verantwortung der Banken. Für sie eröffnen sich sogar neue Geschäftsfelder: von innovativen Wallet-Lösungen bis zu Mehrwertdiensten für Unternehmen.

Kritikpunkt Nummer 7: Negativzinsen durch die Hintertür

Ein hartnäckiger Mythos: Mit dem digitalen Euro könnten negative Zinsen leichter durchgesetzt werden.

Doch auch das stimmt nicht. Der digitale Euro ist als nicht verzinstes Zahlungsmittel konzipiert, genauso wie Bargeld. Eine flächige Strafzins-Politik über die CBDC wäre politisch kaum denkbar und rechtlich extrem schwer umsetzbar. Und selbst wenn, solange Bargeld parallel existiert, könnten Bürgerinnen und Bürger jederzeit ausweichen.

Kritikpunkt Nummer 8: Innovation wird abgewürgt

Die Kritik befürchtet, dass ein öffentliches System private Innovationen bremst. Aber das Gegenteil ist wahrscheinlicher: Der digitale Euro ist keine Konkurrenz-App, sondern eine Infrastruktur.

Gerade weil er eine verlässliche Basis schafft, senkt er Eintrittsbarrieren für neue Anbieter. Europäische Initiativen wie die European Payments Initiative (EPI) könnten ihn als Fundament nutzen, statt eigene Basisrails aufzubauen. Damit entsteht mehr Spielraum für Innovation, nicht weniger.

Kritikpunkt Nummer 9: Das Projekt wird Bürgerinnen und Bürgern übergestülpt

Manche sprechen vom „Technokratenprojekt“ ohne demokratische Legitimation. Doch hier lohnt ein Blick ins Verfahren: Der digitale Euro kann nur eingeführt werden, wenn Parlament und Rat zustimmen. Die EZB liefert die fachliche Grundlage, die Entscheidung ist aber politisch und demokratisch legitimiert.

Das ist keine Hinterzimmer-Entscheidung, sondern ein Gesetzgebungsprozess mit klaren Hürden.

Kritikpunkt Nummer 10: Niemand will das nutzen

In Umfragen äußern viele Skepsis, oft aus Unsicherheit oder Informationsmangel. Klar ist: Akzeptanz hängt von Nutzen, Vertrauen und Nutzererlebnis ab.

Wenn der digitale Euro einfach funktioniert, offline genauso wie online, und die Kosten fair verteilt sind, wird er seinen Platz finden. Niemand muss ihn nutzen, aber wer möchte, hat die Option. Gerade in Krisenzeiten könnte diese Option wertvoll werden.

Fazit: Kein Schreckgespenst, sondern ein Upgrade

Der digitale Euro ist kein Heilsbringer, aber er ist auch kein Trojanisches Pferd. Er ist eine durchdachte Ergänzung unseres bestehenden Systems:

  • Er stärkt die Resilienz des Zahlungsverkehrs.
  • Er sichert Europas Souveränität im digitalen Zeitalter.
  • Er eröffnet Raum für Innovation und Wettbewerb.

Die Kritikpunkte sind ernst zu nehmen und genau deshalb hat die EZB viele Schutzmechanismen eingebaut: Haltelimits gegen Bank-Runs, Privacy-by-Design gegen Überwachung, ein klares Nein zu Programmiergeld, eine Garantie für Bargeld.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Nicht handeln wäre riskanter. Denn ein Europa ohne digitale Zentralbankwährung würde sich noch stärker in Abhängigkeiten begeben – und das ist das eigentliche Schreckgespenst.

Was das für Banken und Unternehmen bedeutet und wie adesso unterstützt

Die Diskussion um den digitalen Euro ist kein reines Zukunftsthema. Viele Institute und Unternehmen müssen sich schon heute auf neue regulatorische Anforderungen, Infrastruktur-Modernisierungen und die Integration innovativer Zahlungsmethoden vorbereiten. Hier liegt der entscheidende Punkt: Der digitale Euro wird nicht isoliert eingeführt, sondern trifft auf bestehende Systeme und Prozesse.

Genau an dieser Schnittstelle unterstützt adesso:

  • Zahlungsverkehrsexpertise von End-to-End: Von Interbanken-Schnittstellen über die bankbetriebliche Verarbeitung bis hin zu modernen Kundenschnittstellen.
  • Regulatorik im Blick: PSD2, Instant Payments Regulation, DORA oder ISO 20022. Unsere Teams helfen, Vorgaben nicht nur zu erfüllen, sondern strategisch zu nutzen.
  • Modernisierung & Migration: von Legacy-Systemen auf neue Zielarchitekturen, inklusive Konzeption, Architektur, Test und Projektsteuerung.
  • Innovation ermöglichen: ob Instant Payments, Cross-Border oder perspektivisch der digitale Euro. Wir schaffen die technischen und organisatorischen Voraussetzungen, damit Banken und Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.

Unsere Projekterfahrung reicht von der Einführung von Swift GPI bis zur ISO 20022-Migration und zur Ablösung kompletter ZV-Infrastrukturen. Diese Expertise setzen wir ein, um auch beim digitalen Euro einen echten Mehrwert zu schaffen: stabile Prozesse, regulatorische Sicherheit und Freiräume für Innovation.


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Bild Enrico  Köhler

Autor Enrico Köhler

Enrico Köhler leitet als Senior Manager das Competence Center Zahlungsverkehr bei KIWI Consulting, einer Tochter der adesso-Gruppe. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanz-IT und begleitet Banken und Zahlungsdienstleister bei der strategischen Weiterentwicklung ihrer Zahlungsverkehrssysteme. Sein Fokus liegt auf der Umsetzung regulatorischer Anforderungen und der Harmonisierung von Zahlungsinfrastrukturen. Mit analytischer Tiefe und einem Blick für das große Ganze gestaltet er zukunftsfähige Lösungen im Spannungsfeld von Technik, Regulierung und Marktbedürfnissen.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Banken und Finanzdienstleister


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